Seite: Wolfmen MC

1977 gründet sich der Wolfmen MC in Donauwörth. Seitdem ist das Rudel stark gewachsen – obwohl das Gegenteil geplant war
Leicht ist anders: Der Start des Wolfmen MC wird von einem tödlichen Unfall begleitet und kostet beinahe auch die neuen, jungfräulichen Kutten. Ort des Geschehens ist Donauwörth im Sommer 1977. Donauwörth hat heute rund 20000 Einwohner, das Städtchen liegt im nordwestlichen Teil Bayerns, in Schwaben. Augsburg ist nicht weit. Dort gibt es heute noch den Hells Servants MC, einen alten Club, der schon 1973 gegründet wurde. Oder den Ghosts of Devil MC, der ebenfalls in den Siebzigerjahren entstanden ist. „Die Member dieser Clubs haben uns auf unsere erste Rally mitgenommen“, erinnert sich Aust, Gründungsmitglied des Wolfmen MC Donauwörth. Damals ist er noch Member beim „Black Horror Club“, Jungs aus der Stadt, die seinerzeit vom Moped aufs Motorrad umgestiegen sind. „Wir waren fasziniert von der MC-Szene. Lauter coole Typen. So wollten wir auch werden.“ Das beschließen die Horror-Jungs an einem lauen Sommerabend an einem kleinen See. Auf dem Heimweg passiert es dann: Hali, der Chef der Horror-Bande, baut mit seiner 500er-Maschine einen Unfall. „Wir waren nicht schnell, hatten aber keinen Helm auf“, erzählt Aust. Eine Helmpflicht gibt es damals noch nicht. Hali schlägt mit dem Kopf auf und stirbt wenige Tage später im Krankenhaus. Aust, der hinten drauf sitzt, kommt mit einem gewaltigen Schrecken und Schürfwunden davon. Trotz dieses tragischen Unfalls verfolgen die Jungs ihr Ziel beharrlich weiter: Sie wollen Rocker werden.

Nach der Beerdigung von Kumpel Hali sitzen sie an einem Sonntagnachmittag bei einem Mitglied der Horror-Crew im Wohnzimmer. Dessen Eltern sind nicht daheim. „Wir haben unseren Namen für den Club gefunden, das Colour gezeichnet und passende Farben dafür ausgesucht“, so Aust. Wolfmen, weil der Wolf ein ausgeprägtes Rudeltier ist – den sprichwörtlichen einsamen Wolf gibt es selten, nur das Rudel macht den einzelnen Wolf stark. „Der Zusammenhalt, die Rangordnung und der Familiensinn waren für uns Vorbild. Deshalb haben wir uns für den Namen Wolfmen entschieden.“
Den Entwurf des Colours schickt Aust mit der Post an eine Stickerei, die führt den Auftrag aus und sendet das fertige Teil auf demselben Weg zurück. Aust ruft seine Freunde zusammen, sie schauen sich das Resultat an – und sind stolz. So sehr, dass sie darauf einen heben gehen, die Plastiktüte mit den Abzeichen aber am Treffpunkt stehenlassen. „Tage später konnten wir die Tüte auf dem Fundamt abholen. Wir haben die Colours auf unsere Kutten genäht und waren von dem Moment an offiziell der Wolfmen MC Donauwörth“, erinnert sich Aust. Dass ein schlechter Start durchaus ein gutes Ende nehmen kann, dafür steht der MC heute.

Acht bis zehn Mann sind sie in den Anfangsjahren. Jedes Wochenende fahren sie auf eine Rally, um sich zu zeigen und in der Szene bekannt zu werden. In Augsburg und Nürnberg sind sie häufig unterwegs. Einige der dortigen Clubs haben sich damals in der „Familie“ zusammengeschlossen. „Das war eine Interessengemeinschaft, die gemeinsam feierte und zusammenstand, wenn nötig“, meint Vinc, ebenfalls Gründungsmitglied und heute President im Motherchapter Donauwörth. Auch die Wolfmen wollen in diese Gruppe aufgenommen werden – als Einstieg in die Szene und um andere und große Clubs kennenzulernen. „Wir kamen rein, was ein Aufstieg vom Start weg für uns war“, so Vinc. Neben ihm und Aust sind noch drei andere Gründungsmitglieder dabei und damit seit 40 Jahren im Club: Archi, Günther und Matze.
Schon vor der Gründung hatte die jungen Männer von verschiedenen Clubs das Angebot in der Tasche mitzumachen. „Das kam und kommt für uns nie in Frage“, kommentiert Matze. Er ist viele Jahre President in Donauwörth – und das in den schwierigen Zeiten des Clubs. Die Wolfmänner wollen auch keine weiteren eigenen Chapter, sondern unter sich bleiben. Eigentlich. Trotz des Vorsatzes wird in Auingen bei Stuttgart der erste Ableger gegründet. Und das geht richtig in die Hose. „Danach haben wir uns erst recht gesagt: Das mit den Chaptern lassen wir. Die bringen nur Ärger und Stress“, erinnert sich Matze.

Als junger Club, nach gerade einmal fünf Jahren, organisieren die Männer 1982 ihre erste Rally. Zu der kommt auch BIKERS-NEWS-Gründer Fips mit einigen seiner Brüder vom Mannheimer Bones MC. „Wir wussten, dass Fips Musik auflegt. Deshalb haben wir ihn gleich geschnappt, ihn bei uns auflegen und die Spiele moderieren lassen“, sagt Matze. Währenddessen haben Member eines anderen Clubs nichts Besseres zu tun, als Streit mit den Bones zu suchen. Matze und seine Männer haben alle Hände voll zu tun, das zu unterbinden.
Im selben Jahr wird der Wolfmen MC ein eingetragener Verein. Das hat vor allem rechtliche Gründe, denn ein eingetragener Verein kann in manchen Situationen einfacher agieren. Alle anderen Chapter in Deutschland sind aus denselben Gründen ebenfalls eingetragene Vereine. Im Jahr nach der Eintragung ins Vereinsregister kaufen die Donauwörther ihr Clubhaus. Das liegt in einem kleinen Dorf zwischen Nördlingen und Donauwörth. Dort spielen auf einer Rally 1983 Cacumen – heute heißt die Band Bonfire. Schon damals ist der Wolfmen MC ein aktiver Club, der der Szene manches bietet.
Das erfordert Zusammenhalt. „Was uns von anderen Clubs unserer Größe in Deutschland unterscheidet, ist, dass bei uns das familiäre Verhältnis im Vordergrund steht“, sagt Matze. Bei Wölfen geht es stets um das eigene Rudel. Das wird gehegt und gepflegt. Nicht anders ist es bei den Schwaben-Rockern. Das Wachstum, auch das internationale, war so nicht geplant. Es ergibt sich nebenher, weil die Männer Biker kennenlernen, die einfach passen. Junge Leute, die in den Club kommen, bringen die Wende zur Öffnung. Allerdings ist zunächst die größte Krise im Club zu bewältigen. Die erreicht ihren Höhepunkt Ende der Achtzigerjahre. Damals zählt das Chapter um die 50 Mann. Doch das Rudel ist in drei Gruppen gespalten, zwei wollen eigene Niederlassungen in anderen Städten gründen. „Wir Donauwörther haben das verhindert. Ob aus Dummheit, Sturheit oder wegen der schlechten Erfahrung beim ersten Mal“, kommentiert Matze. Es gibt Streit, das Rudel zerbricht fast vollständig. Übrig bleiben acht Mann, der harte Kern der Donauwörther. Ab 1990 herrscht wieder Stabilität, die Mitgliederzahl liegt bei etwa 30. Ede und Marco sind damals junge Member. Mit ihnen öffnet sich der Wolfmen MC für die Zukunft.

Die Donauwörther sind oft auf Partys im Allgäu unterwegs. Dort lernen sie die Männer des Motorradclubs Ettringen kennen. Das Städtchen liegt hinter Augsburg, bei Bad Wörishofen. Es folgen mehrere Treffen und 1994 wird Ettringen das erste richtige zweite Chapter des Wolfmen MC. Heute sind es 32, davon 23 in Süddeutschland, sieben in Thailand und jeweils eines in Australien und Spanien.
Nach Thailand werden die Clubfarben von den Erlangern und einem Member aus Donauwörth getragen. Der hat dort regelmäßig geschäftlich zu tun. Und bei den Erlangern ist es damals Tradition, den Jahresurlaub nach Weihnachten gemeinsam in Thailand zu verbringen. So lernt man Member des Lone Brothers MC Thailand kennen – und die wechseln nach einiger Zeit zum Wolfmen MC. Weitere neue Chapter gründen sich im Land; und weil einer der Presidenten aus Australien stammt und bereits dort einem Club angehörte, der inzwischen farbenlos unterwegs ist, kommt es zur Gründung eines Chapters in Down Under. Nach Spanien kommen die Wolfmen, weil ein deutscher Member aus einem thailändischen Chapter dorthin umsiedelt. Durch Zufälle, Kontaktpflege und passende Männer wird der Wolfmen MC so international. Den Kontakt ins Ausland pflegen die Deutschen nicht nur via Internet, sondern auch ganz konventionell durch regelmäßige Besuche.

Im Jahr 2000 wechselt der Wolfmen MC seine Farben. Grund ist der große Farbenwechsel in der deutschen MC-Szene. Der macht den Hells Angels MC in Deutschland groß und – dessen Member tragen Rot-Weiß. „Deshalb haben wir nicht gewechselt, denn in Deutschland gab es keine Probleme wegen der Farbengleichheit – aber im Ausland“, sagt Ede. Deshalb wird der Hintergrund im Abzeichen von Weiß in Schwarz geändert, der Schriftzug des Clubnamens bleibt rot. Die Änderung macht der Club aus freien Stücken, ohne Fremdeinwirkung – aus eigenem Interesse an der Möglichkeit, international unterwegs zu sein.
Durch das Wachstum braucht der Club eine neue Struktur. Die wird mit der Gründung einer übergreifenden Führungsorganisation vollzogen. Nach amerikanischem Management-Muster heißt sie „Board“, ihre Mitglieder „Chief Executive Officers“ (CEO) und „Chief Finance Officer“ (CFO). Das Gremium setzt sich aus drei Mann zusammen. Die Chapterpresidenten wählen die Regionalpresidenten und die wiederum wählen die drei Member des Boards. Zurzeit sind Peter, ehemals President Ettringen, und Ede die beiden gleichberechtigten CEOs, Marco ist der Finanzchef.

Eine Harley-Pflicht besteht im Wolfmen MC nicht. Manche fahren Harley, manche aus Überzeugung andere Fabrikate. „Kameradschaft und Bruderschaft hängen nicht von einer Motorradmarke ab – und Harley ist nicht für jeden bezahlbar“, argumentiert Ede. Die einzige Einschränkung, die es gibt: Mindestens 500 Kubik muss die Maschine haben. Auch Support-Clubs hat der Wolfmen MC. In Deutschland heißen sie Moonwolf – derzeit gibt es hierzulande allerdings kein Support-Chapter, das letzte in Marktoberdorf wird im vergangenen Jahr zum Probechapter. In Thailand heißt der Supporter-Club Wolfblood. Er besteht seit einem Jahr.

Die Aufnahmeregeln im Wolfmen MC sind szenetypisch – vielleicht sogar strenger. „Wir haben die Erfahrung gemacht, dass eine lasche Gangart gar nichts bringt“, sagt Ede. Man müsse Anwärter schon fordern und sie sollten es wertschätzen, dass sie vielleicht irgendwann die Ehre haben, die Farben zu tragen und Teil der Bruderschaft zu sein. „Wir schikanieren unsere Prospects nicht. Wir bereiten sie auf die Zeit danach vor“, erklärt Ede. Paddy ist seit August Member im Chapter South, war davor drei Monate Hänger, anschließend neun Monate Prospect. „Das war schon eine intensive Zeit“, sagt er. Prospects haben Paten. Das sind erfahrene Member, die die Verantwortung für die Anwärter tragen. Sie sorgen dafür, dass sie die Männer der anderen Chapter kennenlernen, führen sie in die Szene ein und achten darauf, dass sie fleißig unterwegs sind. Prospects im Wolfmen MC haben kein ruhiges Leben. Sie begleiten ihren Paten an jedem Wochenende, was auch immer beruflich oder privat ansteht.
Stefan ist auch ein Jung-Member. Er kam über seinen Vater in den Club: Hexe, ebenfalls eines der Gründungsmitglieder, der im März vergangenen Jahres plötzlich verstarb. Er war ein immens wichtiger Mann im MC und bis zu seinem frühen Tod CEO im Board. „Mir blieb nichts anders übrig, als Wolfmen zu werden“, sagt Stefan. Sein Vater habe ihn seit der Pubertät zu jeder Party mitgeschleppt und ihn irgendwann zur Entscheidung gedrängt: „Mach mit oder lass es bleiben.“ Stefan trifft seine Entscheidung. Er ist nun Member im Chapter South. Dort sind eher junge Leute zusammen. Im Motherchapter ist das Durchschnittsalter höher. Junge Leute in einem Chapter ziehen eben junge an. Aber es gibt auch Möglichkeiten, für die Jungen zu sorgen. Deshalb wurde zum Beispiel der 34-jährige Lemmy zum Vize in Donauwörth gewählt, um die Interessen seiner Generation im Chapter zu vertreten.

Mindestens zweimal jährlich trifft sich die Vorstandschaft; die besteht aus den Membern des Boards sowie den Chapterpresidenten und deren Vertretern. Die Hauptversammlung findet jährlich traditionell am ersten Mai-Wochenende statt. Sie ist Pflicht und das Datum so gewählt, weil dann die Saison beginnt und alle Maschinen startklar sein müssen. Die Hauptversammlung findet stets beim Motherchapter statt. Es werden Zu- und Abgänge bekanntgegeben und eventuell Veränderungen in der Führung. Im großen Tross findet anschließend eine Ausfahrt statt. Ausländische Chapter kommen, wenn sie es einrichten können. Die Deutschen fahren ein, zweimal gemeinsam auf eine Party. Das machen auch die Chapter auf Regionalebene. Davon gibt es vier.

40 Jahre ist der Club nun schon in der Szene unterwegs. Er ist gefestigt und beansprucht seinen Platz. „Wir sind ein Club der zweiten Liga, wie es heißt. In die erste Liga wollten und wollen wir aber nie. Wir bleiben wir, pflegen unsere Freundschaft und fahren Motorrad“, so Ede. Der Wolfmen MC sei Vorbild für viele kleine Clubs und zeige, wie man eigenständig bleiben kann. Chancen, in der ersten Liga zu spielen, gab es. Eingefädelt und angezettelt von eigenen Leuten zur 20-Jahres-Rally. Member aus Donauwörth hatten einem großen MC aus der ersten Liga zugesagt, dass der Wolfmen MC am Abend der Party seinen Wechsel offiziell bekannt geben würde. Was aber nicht stimmte. Der Club lief auf der Party mit zahlreichen Männern auf. Matze ist damals President in Donauwörth. „Einer der Presidenten des Clubs hat mich direkt auf den bevorstehenden Wechsel angesprochen, ich habe abgelehnt.“ Das war eine schwierige Situation, die leicht hätte eskalieren können. Matze regelte die Angelegenheit aber mit Verstand und Ruhe. Die Männer zogen ab, die Party lief ungestört weiter. Die Verräter wurden im Anschluss ausfindig gemacht und aus dem Club geworfen.
Das ist eine weitere, schwere Club-Krise. Sie sorgte für Spannungen und kostete Member. Und der Höhepunkt in 40 Jahren? „Alles läuft. Wir haben eine kompetente Vorstandschaft, die uns zusammenhält, dem Club Struktur und Richtung gibt.“ Das ist für Matze der wahre Höhepunkt in vier Jahrzehnten Wolfmen MC. Denn der sorgt dafür, dass der Club Zukunft hat. Für Matze besteht daher kein Zweifel daran, dass es auch einen 80. Geburtstag geben wird.
Die große Jubiläumsfete steigt am letzten Juli-Wochenende. Am Freitag ist Wolfsrun, eine interne Veranstaltung, auf der Member geehrt werden. Samstags steigt dann die Party für befreundete Clubs. Die werden eingeladen, denn die Veranstaltung ist nicht öffentlich. «



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